Einweihung der neuen Mastanlage unter großem Interesse der Öffentlichkeit
Du bist, was du isst! Dass die Ernährung unseren Körper und Geist direkt beeinflusst, ist unbestritten. Welche Lebensmittel wir konsumieren, reflektiert mehr denn je aber auch unser Wertegerüst. Immer öfter wird das Thema Essen zur Glaubensfrage. Jan Gumpert glaubt an eine ausgewogene und hochwertige Ernährungsweise, bei der auch Fleisch auf dem Speiseplan steht – unter der Prämisse, dass sie den Bedürfnissen von Mensch und Tier gleichermaßen gerecht wird. Mit diesem Anspruch gründeten er und sieben weitere Mitglieder die Genießergenossenschaft Sachsen eG, die Regionalität, Nachhaltigkeit und Tierwohl zu ihren drei Geboten erhoben hat. In Königshain-Wiederau bei Mittweida hat die Genossenschaft eine bislang einzigartige Mastanlage für Schweine errichten lassen. Viel Raum zur freien Bewegung, Kuhlen zum Wälzen, Spielzeug, ein überdachter Außenbereich sowie ein Streubett aus Stroh dürften ihre tierischen Bewohner vor Glück zum Grunzen bringen. In den Trog kommt Schrot aus lokal angebauten Getreide- und Ölleinpflanzen. Das sorgt für einen sehr hohen Omega-3-Gehalt im Schweinefleisch, was auch für den Mensch gesund ist: Die ungesättigten Fettsäuren wirken u. a. entzündungshemmend und unterstützen die Herz- und Hirnfunktion. Von der Futtererzeugung bis hin zur Schlachtung will die Genießergenossenschaft die gesamte Wertschöpfungskette vor Ort abdecken. Dieser regionale Bezug kam auch bei der Volksbank Mittweida eG gut an. Sie unterstützt das Projekt als Kreditgeber – jedoch nicht ohne die BBS einzubeziehen, die die Finanzierung mit ihrer Agrarbürgschaft erst zum Abschluss brachte.
Lohn für die Mühen: Jan Gumbert nahm beim Tag der offenen Tür etliche Glückwünsche entgegen
Nach einer intensiven Bauphase konnte die Genießergenossenschaft die hochmoderne Stallanlage Anfang Mai einweihen. Der Tag der offenen Tür lockte rund 2.000 Gäste an. „Wir haben an diesem einen Tag mehr Anerkennung und Zuspruch erfahren als andere Landwirte in ihrem gesamten Berufsleben“, berichtet Jan Gumpert, der Vorstandsvorsitzende der Genossenschaft. Am Besichtigungstag durften drei Duroc-Ferkel schon einmal Probewohnen, bevor die ersten Tiere im Sommer fest einziehen werden. Acht Monate lang können die Schweine ihre Wohlfühl-Umgebung dann genießen. Damit leben sie, so Jan Gumpert, nahezu doppelt so lang wie ihre Artgenossen in konventionellen Mastbetrieben.
die ersten Duroc-Ferkel testen schon einmal den neuen Stall
Zur Anlage wird künftig auch ein Schlachthaus gehören, das sich derzeit noch im Bau befindet und in unmittelbarer Nähe des Stalls errichtet wird. Das erspart den Tieren Stress beim Verladen und Transport, was sich wiederum positiv auf den Erhalt der Fleischqualität auswirkt. Silke Eiselt, die sich bei der BBS mit für die Finanzierung eingesetzt hat, erklärt: „Die Themen Gesundheit und Nachhaltigkeit sowie artgerechte Haltungsbedingungen rücken immer stärker in den Fokus der Verbraucher und Politik. Ein Umdenken bei der Fleisch- und Wurstproduktion ist nötig. Deshalb haben wir die Genießergenossenschaft sehr gern dabei unterstützt, einen der fortschrittlichsten Erzeugerbetriebe auf sächsischem Boden entstehen zu lassen.“ Tatsächlich steht die Stallanlage mit dieser Haltungsform und ihrem Fütterungskonzept deutschlandweit allein auf weiter Flur, sieht man von kleineren Privatbetrieben ab: Mit Kapazitäten für rund 2.700 Schweinen pro Jahr ist sie die bislang einzige Anlage, die Omega 3-haltiges Schweinefleisch aus besonders tierwohlgerechter Haltung in dieser Größenordnung produzieren kann.
Vogelperspektive auf die Stallanlage in Königshain-Wiederau bei Mittweida
Eine der treibenden Kräfte und Gründungsmitglied ist die Agraset-Agrargenossenschaft eG Naundorf bei Rochlitz. Sie stellt die Pachtflächen bereit und beliefert die Genießergenossenschaft mit Schweinenachwuchs. Auf jedes Tier kommen im sogenannten Außenklimastall 2,5 m² – mehr als zwei Mal so viel Platz wie vom Gesetzgeber vorgeschrieben. Die Genossenschaft ist grundsätzlich als offene Gesellschaft konzipiert, bei der Privatpersonen wie auch Unternehmen weiterhin Mitglied werden können. „Möglichst viele Bürgerinnen und Bürger, gerade auch aus den Städten, sollen Landwirtschaft aktiv erleben können und Zugang zu gesunden, nachhaltig erzeugtem Fleisch erhalten“, erklärt Jan Gumpert den partizipativen Ansatz. „Der Konsument wird zum Produzent“, so die Grundidee. Daher entschied man sich bewusst für die Form der Genossenschaft: „Es war uns wichtig, dass eine Vielfalt der Ideen herrscht und Entscheidungen demokratisch getroffen werden.“ Zur Volksbank Mittweida, die ebenfalls als Genossenschaft firmiert, war es nicht nur geografisch, sondern auch ideologisch nur ein kurzer Weg. Deren Firmenkundenberater Torsten Wein zeigte sich sehr offen gegenüber dem nicht alltäglichen Finanzierungsvorhaben: „Wir freuen uns, dass wir dieses richtungsweisende Agrarprojekt in unserer Region mit aus der Taufe heben konnten. Die Zusammenarbeit mit der Bürgschaftsbank Sachsen gestaltete sich äußerst angenehm. Die Unterlagen wurden schnell und kompetent geprüft, was eine zügige Entscheidung ermöglichte. Gerade wenn Sicherheiten fehlen, ist die Bürgschaft ein hilfreiches Instrument für Finanzierungsstrukturierung.“
Begehrter Interviewpartner: Jan Gumpert bei der Stalleinweihung
Die Genießergenossenschaft mag dem Gemeinwohl dienen, dennoch stellt Jan Gumpert klar: „Wir sind ein Wirtschaftsunternehmen und wollen natürlich einen ökonomischen Mehrwert generieren, um in die Weiterentwicklung des Betriebs investieren zu können.“ Den Eigentümerinnen und Eigentümern winken Gewinnausschüttungen in Form von Fleisch- und Wurstpaketen – das ist zumindest der Plan. Der Regelverkauf soll Ende des Jahres starten. Neben dem Direktverkauf will Jan Gumpert auch Fleischereien und Gastronomiebetriebe aus der Region beliefern. Die jüngsten Studien stellen eine gute Nachfrage in Aussicht: Die große Mehrheit der Bevölkerung ist und bleibt Fleischesser, wie eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov letztes Jahr feststellte. Bei 90 % der Bevölkerung kommen wenigstens ab und an Wurst, Steak & Co. auf den Teller. Knapp die Hälfte der Befragten (45 %) gibt an, weniger Fleisch zu essen als noch vor der Pandemie. Sie gehören damit zur wachsenden Gruppe der „Flexitarier“. Seltenerer und bewussterer Fleischkonsum scheinen dabei Hand in Hand zu gehen. Laut YouGov-Daten sind 59 % der Konsumenten bereit, mehr Geld für Fleisch aus tierwohlorientierter Haltung zu bezahlen. Menschen, die den Fleischkonsum gänzlich ablehnen, begegnet Jan Gumpert eigenen Aussagen zufolge mit Toleranz – erwartet diese aber auch für Fleischesser. Er gibt zu bedenken: „Würde kein Fleisch gegessen werden, dann würden Nutztiere wie Schweine gar nicht erst leben.“ Gleichwohl räumt er ein: „Schlechte Tierhaltung ist kritikwürdig und muss abgestellt werden.“ Mit seinem Schweinedomizil ist es ihm gelungen, einen Gegenentwurf zum Leben zu erwecken. Vor diesem Hintergrund dürften auch Tierschützer der Genießergenossenschaft nichts als Erfolg wünschen.
Bildquelle: Genießergenossenschaft Sachsen eG
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